Beziehung zu dritt

Beziehung zu dritt: Wie es dazu kam und warum es für uns funktioniert

Ich hätte mir das früher nie vorstellen können. Nicht, weil ich prüde bin oder eifersüchtig – sondern weil ich, wie viele andere auch, mit der Vorstellung aufgewachsen bin, dass „Liebe“ automatisch bedeutet: zwei Menschen, monogam, möglichst bis ans Lebensende. Und jetzt? Jetzt lebe ich in einer Beziehung zu dritt – einer Frau und einem Mann – und das seit mittlerweile fünf Jahren.  Es ist nicht immer einfach. Aber es ist ehrlich. Und genau das ist unser größter Vorteil.

Dreierbeziehung – wie es dazu kam

Der Anfang war… sagen wir mal: untypisch

Ich heiße Lena, bin heute 36 und lebe mit Miri und Tom zusammen in einer Altbauwohnung mit schiefem Dielenboden, zu vielen Zimmerpflanzen und einer Espressomaschine, die uns alle über Wasser hält. Kennengelernt habe ich zuerst Miri – vor sieben Jahren, bei einem Literatur-Workshop. Sie saß da mit zerzausten Haaren, einem abgegriffenen Notizbuch und dem verwegensten Lachen, das ich je gehört hatte. Es hat nur zwei Abende gedauert, bis wir zusammen im Bett gelandet sind – und drei Wochen, bis wir zusammengezogen sind. Ja, das ging schnell. Ja, es war chaotisch. Aber es hat sich verdammt richtig angefühlt.

Tom kam zwei Jahre später in unser Leben. Wir hatten ihn auf einer Geburtstagsparty eines gemeinsamen Freundes kennengelernt. Er war charmant, ein bisschen zu klug für sein eigenes Wohl, und konnte gleichzeitig über Kant UND „Bauer sucht Frau“ reden. Und er hatte diese Art zuzuhören, bei der man sich sofort gesehen fühlte.

Zuerst war er nur ein Freund. Dann wurde er ein sehr enger Freund. Und dann, nach einer durchzechten Nacht auf unserem Balkon, wurde er mehr.

Der Moment, in dem alles anders wurde

Ich erinnere mich noch ziemlich genau an den Morgen danach. Drei Menschen, verkatert, zwischen Chipskrümeln und Deckenresten, mit einer Mischung aus Verlegenheit und Faszination im Blick. Keiner hat es ausgesprochen, aber wir wussten: Das war nicht einfach nur ein Ausrutscher. Es war etwas passiert – und jetzt mussten wir entscheiden, ob wir wegrennen oder hinschauen.

Wir haben uns für Letzteres entschieden. Und zwar nicht Hals über Kopf. Es folgten Wochen voller Gespräche, Zweifel, Lachen, Diskussionen über Regeln, Grenzen, Offenheit. Ich habe Seiten an mir selbst entdeckt, von denen ich nicht wusste, dass es sie gibt. Die liebevolle, großzügige – aber auch die eifersüchtige, kontrollierende. Miri war oft die Rationalste von uns, Tom der Vermittler, ich das emotionale Chaos. Aber wir haben gelernt, damit umzugehen.

Beziehung zu dritt: Was es heißt, zu dritt zu lieben

Eine Dreierbeziehung – oder eine sogenannte „triadische“ Beziehung – bedeutet nicht automatisch, dass alles dreimal so intensiv oder dreimal so romantisch ist. Es bedeutet, dass man dreimal so viele Bedürfnisse ausbalancieren muss. Dass man lernt, wirklich zuzuhören. Und dass man viel öfter als andere Paare über Kommunikation nachdenken muss – weil Schweigen hier keine Option ist.

Manche denken, so eine Beziehung zu dritt sei vor allem sexuell motiviert. Klar, am Anfang war da auch eine Menge körperliche Spannung. Aber heute ist das, was uns zusammenhält, viel mehr als das: Wir teilen den Alltag. Wir streiten um Spülmaschinen-Taktiken. Wir planen Urlaube. Wir bauen Möbel zusammen – was übrigens die wahre Zerreißprobe für jede Beziehung ist, glaubt mir.

Das Schöne ist: Wir gleichen uns gegenseitig aus. Wenn ich mal überfordert bin, hat Miri den kühlen Kopf. Wenn Tom in sich versinkt, ziehen wir ihn raus. Und wenn einer krank ist, sind zwei da, die Tee kochen, Decken bringen und meckern, weil man schon wieder keine Vitamine isst.

Aber natürlich gibt’s auch Tücken

Eifersucht ist nie ganz weg. Manchmal frage ich mich, ob Miri sich Tom näher fühlt als mir – oder ob ich Tom ungewollt ausschließe, wenn Miri und ich mal wieder in unsere Mädchendynamik kippen. Und ja, manchmal ist es auch ganz banal: Wer liegt in der Mitte? Wer hat heute „mehr Zuwendung“ bekommen? Wer muss sich zurücknehmen?

Wir haben Rituale eingeführt, um uns nicht zu verlieren: Einmal die Woche gibt es „Zweier-Zeit“. Da verbringt jede:r von uns abwechselnd Zeit zu zweit mit dem/der anderen. Und einmal im Monat setzen wir uns zusammen, trinken ein Glas Wein (oder zwei) und sprechen alles an, was sich angestaut hat. Das ist manchmal unangenehm. Aber es wirkt Wunder.

Was auch nicht immer einfach ist: die Außenwelt. Die Eltern haben lange gebraucht, bis sie es akzeptiert haben. Arbeitskollegen fragen teils übergriffige Fragen oder reagieren mit plumper Faszination. Freund:innen sind entweder neugierig oder spürbar irritiert. Und dann ist da noch der ganze rechtliche Kram: Wer darf ins Krankenhaus, wenn einer einen Unfall hat? Wer erbt was? Das System ist nicht für Beziehungen zu dritt wie unsere gemacht.

Warum es sich trotzdem lohnt

Wir haben gelernt, dass Liebe nicht in ein Standardmodell passen muss. Dass man gemeinsam Regeln erfinden darf – und sie ändern, wenn sie nicht mehr passen. Dass Beziehung Arbeit ist, ja, aber auch eine riesige Quelle an Wachstum und Verlässlichkeit.

Und es gibt Momente, in denen ich einfach nur dankbar bin: Wenn wir zusammen auf dem Sofa liegen, Tom mir den Nacken krault, Miri leise ein Buch vorliest – und ich denke: Das hier ist mein Zuhause.

Oder wenn wir uns auf einer Party wiedersehen und uns anlächeln, als wären wir frisch verliebt. Oder wenn wir zusammen kochen, uns streiten, lachen, die Musik zu laut aufdrehen und dann gemeinsam in der Küche tanzen, bis das Nudelwasser überkocht.

Was ich heute an einer Beziehung zu dritt anders sehe

Ich glaube nicht mehr an das „eine“ Beziehungsmodell. Ich glaube daran, dass Menschen unterschiedlich lieben – und dass es keine Schande ist, wenn man die eigene Wahrheit erst suchen muss. Unsere Beziehung ist nicht besser oder schlechter als andere – sie ist nur anders. Und sie ist für uns genau richtig. Wird es für immer halten? Keine Ahnung. Aber was ist schon für immer? Für den Moment funktioniert es. Und das ist mehr, als viele von sich sagen können.

Und wer liegt heute in der Mitte?

Wechseln wir durch. Ganz demokratisch. Außer Miri hat Rückenschmerzen – dann kriegt sie den äußeren Platz. Wir sind ja keine Monster.