Stealthing: Was steckt hinter dem heimlichen Entfernen des Kondoms?
Ein ernstes Thema, das nicht unter den Teppich gehört – und ganz sicher nicht ins Schlafzimmer.
Was ist Stealthing?
Der Begriff Stealthing klingt harmlos, fast technisch – wie eine neue Smartphone-Funktion oder ein Begriff aus der Spionagetechnik. Tatsächlich handelt es sich aber um eine gravierende Grenzüberschreitung beim Sex, die in vielen Ländern bereits als sexueller Übergriff oder sogar als Vergewaltigung gilt. Doch was ist Stealthing genau?
Stealthing beschreibt das absichtliche Entfernen des Kondoms während des Geschlechtsverkehrs – ohne das Wissen oder die Zustimmung des Sexualpartners. Das bedeutet: Zwei Menschen stimmen einvernehmlich zu, Sex mit Kondom zu haben. Einer von beiden zieht währenddessen heimlich das Kondom ab oder lässt es “versehentlich” weggleiten – und macht einfach weiter. Für viele Betroffene ist das nicht nur ein Vertrauensbruch, sondern eine traumatische Erfahrung.
Stealthing Kondom: Heimlichkeit mit Folgen
Warum ist Stealthing ein so massives Problem? Das Kondom ist für viele Paare nicht nur ein Mittel zur Schwangerschaftsverhütung, sondern vor allem auch ein Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten. Wenn eine Person heimlich das Kondom entfernt, nimmt sie dem anderen die Möglichkeit, eine informierte Entscheidung über ihren eigenen Körper und ihre Gesundheit zu treffen.
Ein Vergleich macht die Dimension klar: Es wäre, als würde jemand dir ein Glas Wasser geben, von dem du glaubst, es sei sauber – aber heimlich hat er etwas hineingeschüttet. Du hast etwas getrunken, worauf du dich nie eingelassen hättest, wenn du es gewusst hättest. Das ist nicht einfach ein „Missverständnis“. Das ist eine Form von Gewalt.
Stealthing ist kein Kavaliersdelikt
In der öffentlichen Diskussion taucht Stealthing oft unter dem Radar auf. Viele wissen gar nicht, dass es einen Namen dafür gibt. Genau deshalb ist es wichtig, darüber zu sprechen. Denn Stealthing ist nicht “nur” ein Vertrauensbruch oder ein peinliches Missgeschick – es ist ein aktives Überschreiten von Grenzen.
Einvernehmlicher Sex bedeutet, dass beide Parteien klar zustimmen – und zwar zu genau dem, was passiert. Wird dabei heimlich das Kondom entfernt, ändert sich die gesamte Grundlage dieser Einvernehmlichkeit. Es ist so, als würde mitten im Film das Genre wechseln: Aus Romantik wird Thriller – aber nur einer weiß es.
In Ländern wie Kanada, Neuseeland oder auch der Schweiz gibt es bereits Urteile, in denen Stealthing als sexuelle Nötigung oder gar Vergewaltigung eingestuft wurde. In Deutschland bewegt sich das Thema bislang in einer rechtlichen Grauzone, wird aber zunehmend diskutiert.
Warum machen Menschen so etwas?
Die Motive für Stealthing sind vielschichtig – und ehrlich gesagt, ziemlich beunruhigend. Einige Täter sehen es als “Machtspiel”, als Beweis ihrer Dominanz. Andere geben an, Sex ohne Kondom sei “intensiver” oder “besser”. In manchen Foren im Internet wurde Stealthing sogar als eine Art Challenge gehandelt – mit Anleitungen, wie man es möglichst unauffällig anstellt. Eine verstörende Vorstellung.
Oft steckt auch eine toxische Vorstellung von Männlichkeit dahinter: Der Mann „nimmt sich“, was er will, unabhängig davon, was die andere Person will. Oder er glaubt, das Recht auf “echten Sex” zu haben – und zwar nach seinen eigenen Regeln. Dass das Ganze auf Kosten von Vertrauen, Sicherheit und Gesundheit geht, wird dabei schlichtweg ignoriert.
Was tun, wenn man betroffen ist?
Wenn du selbst betroffen bist – oder jemanden kennst, der diese Erfahrung machen musste – ist es wichtig zu wissen: Du bist nicht schuld. Die Verantwortung liegt immer bei der Person, die ohne Zustimmung das Kondom entfernt hat.
Betroffene können sich an Beratungsstellen wenden, etwa an:
- Pro Familia
- Wildwasser
- Frauenberatungsstellen
- oder auch spezialisierte Anwält:innen
In akuten Fällen sollte eine ärztliche Untersuchung erfolgen – nicht nur wegen möglicher Infektionen oder Schwangerschaft, sondern auch, um mögliche Beweise zu sichern, falls du rechtlich gegen den Täter vorgehen willst.
Was kann man tun, um sich zu schützen?
Ein hundertprozentiger Schutz vor Stealthing ist leider nicht möglich – wie bei jeder Form von Übergriff. Dennoch gibt es einige Punkte, auf die du achten kannst:
- Vertrauen ist keine Garantie, aber ein Anfang. Lerne deine Partner gut kennen, sprecht offen über eure Erwartungen.
- Kondom-Kontrolle: Wenn du selbst das Kondom anlegst, hast du zumindest etwas mehr Kontrolle darüber.
- Aufmerksam sein: Wenn du das Gefühl hast, das Kondom sei plötzlich weg, stoppe sofort und sprich es an.
Wichtig ist aber: Die Verantwortung für Stealthing liegt niemals bei dem Opfer. Die Forderung sollte nicht lauten: “Schütz dich besser”, sondern: “Hör auf, Grenzen zu überschreiten.”
Warum über Stealthing gesprochen werden muss
Stealthing ist keine schräge Internetmode, kein “schlechter Sex” und schon gar keine Bagatelle. Es ist eine Form sexuellen Übergriffs, die viel zu oft übersehen oder heruntergespielt wird. Indem wir darüber sprechen, schaffen wir Bewusstsein – und zeigen denjenigen, die betroffen sind: Ihr seid nicht allein, und was euch passiert ist, war nicht okay.
Also: Keine falsche Scham. Keine Ausreden. Kein Schweigen.
Denn nur wer Dinge beim Namen nennt, kann sie auch verändern.